Aachen Die Aachener Verwaltung hat ein neues Konzept für die Innenstadtmobilität erarbeitet. Es soll für mehr Gleichberechtigung aller Mobilitätsformen sorgen. Autos hätten dann nicht mehr überall freie Fahrt.
Es gibt mehrere Beispiele für das, was in Aachen geschehen soll: Hasselt und Leuven in Belgien etwa oder die slowenische Hauptstadt Ljubljana. „In allen Städten fängt eine Veränderung hin zu mehr Lebensqualität auch mit einer umweltfreundlicher gestalteten Mobilität an“, sagt die Aachener Planungsdezernentin Frauke Burgdorff. Ihr Fachbereich hat unter dem Titel „Innenstadtmobilität für morgen“ ein neues Konzept erarbeitet, das nun in den politischen Entscheidungsprozess eingebracht wird. Und das vor allem für Autofahrer deutliche Veränderungen bedeutet. Eine entsprechende Vorlage für eine gemeinsame Sondersitzung des Mobilitätsausschusses und der Bezirksvertretung Aachen-Mitte am 31. August ist am Mittwoch veröffentlicht worden. Darum geht es:
Was sind die grundsätzlichen Pläne?
Die Stadt Aachen will die Mobilität in der Innenstadt fairer aufstellen. Es soll also mehr Gleichberechtigung zwischen den Verkehren zu Fuß, per Rad, mit dem Auto oder dem ÖPNV geben. Bislang gibt es verschiedene mobilitätsfachliche und stadträumliche Einzelkonzepte, die teils schon länger vorliegen. Die Verwaltung hat diese nun zu einer Art Masterplan für alle Verkehrsmittel in der Innenstadt zusammengeführt.
Was sind die Ziele?
Das Hauptziel ist mehr Aufenthaltsqualität. Egal wo oder wie sich Menschen in der Aachener Innenstadt bewegen, sollen sie sich wohlfühlen. „Wir wollen, dass die Menschen ihre Stadträume zurückgewinnen können“, sagt Dezernentin Burgdorff. Die Innenstadt soll leicht erreichbar sein, der Verkehr soll fair und sicher sein, und es soll gute Nachbarschaften geben, vor allem frei von Durchgangsmobilität. Zudem soll die Umweltbelastung verringert werden – nicht nur mit Blick auf den CO2-Ausstoß, sondern auch mit Blick auf Stressfaktoren wie Lärm.
Um welchen Bereich geht es genau?
Als Innenstadt definiert die Verwaltung den Bereich innerhalb des Alleenrings. Dieser hat einen Umfang von sechs Kilometern und einen Durchmesser von maximal 1,5 Kilometern. Dort leben etwa 50.000 Einwohner. Es gibt insgesamt 30 Kilometer Straßennetz und unter diesem rund 300 Kilometer Versorgungsleitungen. Der Innenstadtkern wird nochmals durch den kleineren Grabenring definiert, der einen Umfang von rund 2,3 Kilometern hat.
Was ist neu?
Die Hauptveränderung betrifft den Verkehr auf dem Grabenring. Dieser soll bekanntlich zum Radverteilerring und Herzstück des Radvorrangroutennetzes in Aachen umgestaltet werden. Grundlage ist der Radentscheid, dessen Umsetzung im November 2019 von einer breiten Ratsmehrheit beschlossen worden ist.
Um den Grabenring zum Radverteilerring machen zu können, wird der Autoverkehr dort künftig nicht mehr durchgängig möglich sein. Stattdessen wird die Innenstadt in fünf Zonen unterteilt, in die Autofahrer vom Alleenring aus einfahren können. Jede Zone hat zwei Zugänge.
Teilweise bestehen auf dem Grabenring schon Durchfahrtsverbote für Autos, etwa am Elisenbrunnen oder – noch temporär – am Templergraben und am Annuntiatenbach. Politisch beschlossen ist auch bereits ein Durchfahrtsverbot auf der Theaterstraße unterhalb der Borngasse im Zuge der Umgestaltung des Theaterplatzes sowie am Kapuzinergraben. In Vorbereitung für politische Beschlüsse sind noch Sperrungen am Seilgraben/Komphausbadstraße, an der Franzstraße/Borngasse sowie am Karlsgraben/Jakobstraße. Konkret könnten demnach Autos, die auf dem Löhergraben unterwegs sind, nicht mehr von dort aus direkt weiter auf den Karlsgraben fahren.
Was bedeutet das für Autofahrer?
Autofahrer werden sich grundsätzlich umgewöhnen müssen. Sie können zwar in die Innenstadt hinein und wieder herausfahren, sollen aber möglichst direkt in Parkhäuser geleitet werden und möglichst wenig in der Innenstadt herumfahren. Auf dem Grabenring soll es Sonderdurchfahrtsrechte für Pflegedienste und Taxen geben, auch können alle Grundstücke von Anwohnern erreicht werden.
Wie soll das Durchfahrtsverbot auf dem Grabenring umgesetzt werden?
Es wird Schilder und Straßenmarkierungen geben, gegebenenfalls „Modalfilter“, mit denen eine Durchfahrt variabel gesteuert werden kann. Poller soll es nur dann geben, wenn sie unbedingt notwendig sind. „Wir entwickeln neue Zugänge, keine Trutzburg“, sagt Dezernentin Burgdorff. Zunächst soll es eine Gewöhnungsphase geben, später auch Kontrollen, bei denen eine Missachtung geahndet wird.
Was bedeutet das für die anderen Mobilitätsformen?
Andere Formen der Fortbewegung bekommen größeres Gewicht im Mobilitätsmix. Die Verwaltung möchte im Innenstadtbereich das zu Fuß Gehen stärken. Sie verweist darauf, dass die Aachener im Bezirk Mitte schon jetzt 32 Prozent ihrer Wege zu Fuß zurücklegen. Im Umfeld des Welterbes bestehe schon heute eine sehr hohe Aufenthaltsqualität zum Schlendern, Flanieren und Verweilen. Diese gelte es auszubauen. Die Hauptzugänge in die Innenstadt erfolgen über das Premiumfußwegenetz, das an vielen Stellen bereits realisiert ist.
Beim Radverkehr geht es vor allem um das Thema Sicherheit. So gibt die Verwaltung in der Vorlage an, dass laut einer Mobilitätserhebung aus dem Jahr 2017 viele Menschen neben der bewegten Topographie vor allem die als unsicher empfundene Verkehrssituation für ihre Zurückhaltung im Hinblick auf das Radfahren nennen. Die Kernpunkte des Radentscheids sind Grundlage für den Ausbau der Radvorrangrouten, die auch alle äußeren Stadtteile mit der Innenstadt auf sicheren Wegen verbinden sollen. Grundsätzlich wird angestrebt, dass kein Fahrradfahrer unverschuldet durch einen anderen Verkehrsteilnehmer verletzt oder getötet wird.
Der ÖPNV wird als „unabdingbar“ für die Erreichbarkeit und Attraktivität der Innenstadt betrachtet. Das Busliniennetz sei bereits leistungsfähig und habe eine klare Struktur. Derzeit wird die Flotte mit rund 240 Bussen komplett auf Elektro- und Wasserstoffantrieb umgestellt. Um den ÖPNV weiter zu verbessern, müssten Busse auf starken Achsen einen möglichst störungsfreien Zugang Richtung Innenstadt erhalten und flüssig durch die Innenstadt geleitet werden, heißt es in der Vorlage.
Wie ist der Zeitplan?
Mit der Sondersitzung des Mobilitätsausschusses und der Bezirksvertretung Aachen-Mitte am 31. August beginnt die politische Debatte über das Konzept. Im September hat die Verwaltung sechs Informationsabende für die Bevölkerung geplant. Einen Planungs- und Ausführungsbeschluss durch die Politik könnte es dann Ende November geben, eine Umsetzung der neuen Lenkung des Autoverkehrs ab Herbst 2024. Dies kann gegebenenfalls auch in mehreren Phasen erfolgen.
mMn ein vollkommen durchdachtes Konzept ohne große Nachteile (außer natürlich für Autofahrer die die Stadt rein zum Durchgangsverkehr nutzen, die da eh nicht sein sollten). Ich hab mich schon lange gefragt warum die Stadt nicht exakt so ein Konzept um die Stadt nur “Sternförmig” zu befahren umsetzt.
Ja aber… ja aber… wenn ich jetzt mit meinem fetten SUV von einer Straße in die Nachbarstraße in einer anderen Zone fahren will, dann muss ich ja einen Umweg fahren! Das geht doch nicht! Und ist doch total umweltschädlich! Soll ich etwa mit dem Rad fahren, wie ein Geringverdiener?
Und was wenn ich in der Zone wohne und nur mal eben meinen Nachbarn 2 Querstraßen weiter besuchen will? Wie soll ich das mit dem Auto jetzt noch machen???
Macht auf mich auch einen guten Eindruck. Bleibt nur zu hoffen, dass das Konzept zügig und gut umgesetzt wird. Der Radentscheid hat mich tatsächlich ein wenig enttäuscht damit, dass das Konzept eigentlich gut ist, in den 3 Jahren aber gefühlt noch nicht viel passiert ist. Im Aachener Westen gibt es zwar zb die neue Radvorrangroute Richtung Melaten, die Situation für Radfahrer hat sie aber mMn nicht wirklich verbessert.
Da stimme ich dir nicht zu. Der Radentscheid hat extrem viele Änderungen in den Außenbezirken gebracht, die halt für die Bewohner der Außenbezirke relevant sind aber nicht so sehr “für uns” Menschen die überwiegend mehr in der Innenstadt und in den Univierteln sind.
Man kann zB von der Innenstadt aus per Radvorrangrouten in quasi jeden Außenbezirk fahren, fast komplett auf Fahrradstraßen. Vom Elisenbrunnen bis Brand, das sind knapp 8km! Und das sind genau die Straßen, die von vielen Pendlern täglich genutzt werden. In Haaren wurden in der Nähe des Friedhofs Friedenstraße unglaublich viele Fahrradbügel aufgestellt. Das ist eine ziemlich kleine aber extrem wichtige Änderung, weil der Friedhof nicht gut mit dem Bus erreichbar ist. Dadurch, dass es mittlerweile so viele E-Bikes gibt, fahren aber selbst die überwiegend älteren Friedhofsbesucher jetzt mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zum Friedhof, bei Beerdigungen sind die Fahrradbügel in der Gegend fast komplett ausgelastet. In Eilendorf gibt es ein Netz an Fahrradstraßen, mit denen du durch den ganzen Bezirk kommst. Und immer gibt es laute Beschwerden wegen wegfallenden Parkplätzen, trotzdem wird es gemacht.
Von der unglaublichen Verbesserung an der Ludwigsallee/Saarstraße muss ich vermutlich nicht viel erwähnen. Riesige Straßen, die jetzt baulich getrennte Radwege haben die breit genug sind um nebeneinander zu fahren. Vaalser Straße und Alte Vaalser Straße auch. Du darfst nicht vergessen, der Radentscheid ist gerade einmal 4 Jahre her, für so große Infrastrukturänderungen ist das keine lange Zeit.
Die zig neuen Radbügel sind wirklich praktisch! Und so voll wie die meistens sind bin ich da anscheinend nicht der einzige der das so sieht.
Kann ich das in meiner Stadt bitte auch haben?
Es ist erstmal nur ein Konzept und leider noch keine beschlossene Sache