Bei den Alternativen zum ‘Weiter so’ fallen zwei gegensätzliche Leitgedanken ins Auge, die jedoch auf ihre Art beide das Notwendige mit dem Angenehmen verbinden wollen. Vor allem ökologisch ausgerichtete NGOs setzen Suffizienz auf die Agenda, damit angesichts begrenzter Ressourcen und Emissionsbudgets grundlegend darüber nachgedacht wird, was denn überhaupt nötig ist für ein gutes Leben aller. Hinter dem Konzept ‘cradle to cradle’ dagegen steht die Auffassung, dass dabei nicht genügend Menschen mitziehen würden und dies auch gar nicht nötig sei, wenn alle Produkte und Prozesse grundsätzlich anders designt würden. Das Ziel ist die umfassende Imitation des natürlichen ‘Es gibt keinen Abfall’-Prinzips auch im künstlichen Bereich, wo alles letztlich zu ‘technischen Nährstoffen’ zur weiteren Verwendung und damit unproblematisch wird.

Da man dieses Ziel als äußerst ambitioniert bezeichnen darf, sehe ich die starke Abgrenzung von der Suffizienz auf dem Weg dahin kritisch, wie sie z. B. im Buch “Intelligente Verschwendung. The Upcycle: Auf dem Weg in eine neue Überflussgesellschaft” (2013) der beiden Gründer Braungart und McDonough betrieben wird. Während gegen Einschränkung argumentiert wird, sind selbst im anvisierten Zielzustand verschwenderische Lebensstile nur möglich, wenn auch Energie für die Kreisläufe im Überfluss vorhanden ist. Bis dahin dürften das Anerkennen von Grenzen, verbrauchsseitige Verhaltensänderungen und die entsprechenden R-Strategien nicht so überflüssig sein wie dieses Plädoyer für Kreislaufwirtschaft es darstellt. Es weist so eine argumentative Nähe auf zu einem Framing von ‘Verzicht’ als unnötigem und kontraproduktivem Stimmungskiller. Die praktische Seite des Konzepts - detaillierte Bestandsaufnahmen und kreislauforientiertes Umdesignen (welches der privatwirtschaftliche Arm zertifiziert s. https://c2ccertified.org/ Für die deutsche NGO s. https://c2c.ngo/) - und das Motivieren zu verträglicher Kreativität könnten dabei gut mit dem anderen Ansatz kombiniert werden.

In dieser anderen Perspektive wird aus den planetaren Grenzen die Notwendigkeit abgeleitet, u. a. Ressourcenverbräuche absolut zu reduzieren, ob die Produktionsweisen dies gerade begünstigen oder nicht. Analog zur Klimaneutralität soll deshalb das Endziel auf Etappenziele heruntergebrochen werden, die den Fortschritt überprüfbar machen. Der BUND z. B. fordert deshalb die Vorbereitung eines Ressourcenschutzgesetzes im Rahmen der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/klimawandel/handlungsbedarf-nationale-kreislaufstrategie-nkws-forderung-ressourcenwende-bund-2023.pdf).

Da die psychischen und sozialen Belastungsgrenzen aber auch nicht überschritten werden sollen, soll meist das ‘Weniger’ der Suffizienz-Idee zugleich auch ein ‘Genug’ sein, das kein äußerstes Minimum ist. Dabei ist das ‘Genug’ jenseits des blanken Überlebens eine höchst subjektive Sache. Suffizienzansätze versuchen daher häufig die Idee eines Korridors zu etablieren, der innerhalb der Grenzen noch Spielraum für individuelle Präferenzen lässt und demokratisch ausgehandelt werden kann. Wie Braungart und McDonough mit dem Bild der ‘verschwenderisch’ produzierten Kirschblüten, knüpft die Wortwahl auch hier öfter an natürliche Pracht an, wenn z. B. der Korridor das flourishing (gedeihen) menschlicher Existenz ermögliche. [1]

Eine altbekannte Metapher für unterschiedliche Perspektiven auf dieselbe Sachlage ist das halb volle oder halb leere Glas. Braungart und McDonough formulieren an einer Stelle eine dritte, analytischere Beschreibung: “Das Glas ist voll von Wasser und Luft.” (s. o., S. 198). Die Aufforderung, viel genauer als bisher hinzusehen, mit was wir uns permanent umgeben (wollen), kann man beiden Ansätzen entnehmen.


[1] Bärnthaler/Gough: Provisioning for sufficiency: envisaging production corridors (2023), Fig. 1

https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/ressourcenschonung-in-produktion-konsum/fragen-antworten-zu-cradle-to-cradle