Deutschland hat einen großen Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften – ukrainische Geflüchtete haben ein großes Potenzial, dieses Problem zu lösen. Das setzt aber voraus, benötigen Kriegsflüchtlinge Zugang zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt und zu Bildung.

Der russische Einmarsch in die Ukraine zwang rund sechs Millionen Ukrai­ner:innen, in Europa Zuflucht zu suchen. Mehr als eine Million von ihnen landeten in Deutschland. Viele dachten, ihr Aufenthalt außerhalb der Ukraine sei vorübergehend. Doch je länger der Krieg dauert, desto mehr Geflüchtete integrieren sich und gewöhnen sich an ihren neuen Wohnort. Manche können auch gar nicht irgendwohin zurückkehren – ihre Städte sind zerstört oder von Russland besetzt.

Am dritten Tag der russischen Großinvasion sah ich an der polnisch-ukrainischen Grenze lange Schlangen alter Leute und verängstigter Frauen mit Kindern. Sie sahen nicht aus wie Menschen, die sich auf den Weg ins wohlhabende Europa machen, um Sozialleistungen zu erhalten. Es ist absurd und zynisch, das heute zu behaupten. In dieser Panik haben die meisten ihre Zufluchtsländer nicht nach der Höhe der Sozialleistungen ausgesucht. Einige wurden von Hilfsbereiten direkt an der Grenze in der polnischen Stadt Przemyśl aufgenommen.

Andere reisten dorthin, wo sie jemanden kannten, wieder andere landeten zufällig in einer Notunterkunft. Die ukrainischen Geflüchteten sind keine Mi­gran­t:i­nnen auf der Suche nach wirtschaftlichen Vorteilen, sie sind Opfer der Aggression Russlands. Die ukrainischen Kriegsflüchtlinge haben es nicht verdient, zum Objekt populistischer Manipulationen zu werden, die auf die Wählerschaft in Deutschland abzielen.

Großes Potential hinter viel Bürokratie

Diese Energie sollte besser in die Entwicklung eines langfristigen und effektiven Plans investiert werden, um den Kriegsflüchtlingen Zugang zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt und zu Bildung zu verschaffen. Denn unter den gegenwärtigen Bedingungen ist die Beschäftigung von 27 Prozent der ukrainischen Geflüchteten eher ein Erfolg als ein Misserfolg.

Das Haupthindernis für eine Beschäftigung ist in den meisten Fällen nicht das Bürgergeld, das für sie jetzt zur Disposition steht, sondern es sind bürokratische Hindernisse auf dem Arbeitsmarkt. So dauert es Monate, bis Berufsabschlüsse anerkannt werden. Wer in der Ukraine Chirurgin war, will in Deutschland kaum als Krankenpflegerin arbeiten, eine Universitätsdozentin nicht als Kindergartenassistentin. Manchmal sind auch die geforderten Sprachkenntnisse weitaus höher, als es für die Ausübung einer unqualifizierten Tätigkeit erforderlich ist.

Deutschland hat einen großen Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften – ukrainische Geflüchtete haben ein großes Potenzial, dieses Problem zu lösen. Voraussetzung dafür ist indes, dass die Regierung das akzeptiert und ihre Beschäftigung erleichtert. Das wird auch geschehen, wenn die Jobcenter aufhören, Ar­chi­tek­t:in­nen Arbeitsplätze in Küchen und Lagerhallen anzubieten.

    • Tryptaminev@lemm.ee
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      5 months ago

      Mit humanistischen Idealen erreicht man in Deutschland leider kaum noch Leute.

      Nach der Abkehr von grundlegenden humanistischen Werten kommt aber die wirtschaftliche Absurdität noch obendrauf. Deutschland schadet sich mit seiner Flüchtlingspolitik selbst massiv. Und was wir jetzt über die Ukraine lesen, ist 1zu1 der Selbe Mist wie auch vor 8 Jahren für die Syrer. Und vor 30 Jahren für die Menschen aus Ex-Jugoslawien. Verdammt ich hatte einen jüdisch-russischen Klassenkamerad dessen Familie nach dem Zusammenbruch der Sovjetunion nach Deutschland gekommen ist. Seine Mutter ist studierte Informatikerin und hat dann in Deutschland als Putzfrau in Teilzeit gearbeitet. Und für die Familie war der Migrationsweg nach Deutschland vergleichsweise unbürokratisch.

  • Daqu@lemm.ee
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    5 months ago

    Es fehlen keine Fachkräfte, es fehlen billige Fachkräfte.

    • DrunkenPirate@feddit.de
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      5 months ago

      Bitte beschäftige dich mal mit dem Thema demographischer Wandel und schreibe hier nicht so unreflektiertes Zeugs.

      Oder kannst du mir sagen, wie wir den Ärztemangel beheben können?

      • 5714@lemmy.dbzer0.com
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        5 months ago

        Unbeteiligte PdS: Medizinstudium aufteilen (Spezialisierung), damit die Arbeitslast verteilt und brain drain beschränkt wird.

        Wenn Arbeitskraft fehlt, heißt das meinem Verständnis nach nicht unbedingt dass es keine Arbeitskämpfe mehr gibt. Dennoch hast du Recht, fremdenfeindliche Arbeitskonkurrenz ist nicht akzeptabel; Ukrainer:innen eindimensional als billige Arbeitskräfte darzustellen auch nicht.

      • Daqu@lemm.ee
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        5 months ago

        Weil uns die Ärzte so wichtig sind, haben wir die Einkommensgrenze für Einwanderer niedriger angesetzt als bei nicht-Ärzten. 43k pro Jahr. Gerüchte sagen, dass viele Deutsche Absolventen gern das Land verlassen und dorthin gehen, wo sie mehr verdienen.

        Wenn der Markt da etwas regeln würde, sollten die Gehälter für fehlende Fachkräfte durch die Decke gehen. Das konnte ich bisher nicht beobachten.

  • brainrein@feddit.de
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    5 months ago

    Ich finde es ausgesprochen rassistisch einen Artikel über die bürokratischen Hürden für ukrainische Geflüchtete zu veröffentlicht ohne die weit schlimmeren Verhältnisse für andere (dunklerhäutige) Geflüchteter auch nur mit einem Wort zu erwähnen.

  • DrunkenPirate@feddit.de
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    5 months ago

    Um mal beim Beispiel ArchitektIn zu bleiben: Ist es denn zu viel verlangt, dass diese einen Küchen- oder Lagerjob annehmen? Kann man denn nicht erst mal etwas arbeiten, dabei auch die Sprache learning-by-doing lernen und anschließend sich hocharbeiten?

    So sehr ich verstehe, dass man nicht unter seinen Potentialen bleiben möchte, so wenig verstehe ich, dass man nicht froh ist, seinen Arsch gerettet zu haben. Und dann dafür auch mal mit etwas unter seinem Niveau anfängt und sich später hocharbeitet.

    • Tryptaminev@lemm.ee
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      5 months ago

      Na dann zeig mir bitte mal ein einziges Unternehmen wo es einen Karriepfad von Lagerist zu Architekt gibt…

      Wenn man sich mal mit Karriereberatung für Akademiker auseinandersetzt dann ist auch eine der Kernregeln, dass es als rote Fahne gesehen wird, wenn man länger unterhalb der akademischen Qualifikation gerarbeitet hat.

      • DrunkenPirate@feddit.de
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        5 months ago

        A) Gibt es natürlich nicht. Muss man/frau sich selbst drum kümmern. Karriere macht man. Die wird nicht vorgelegt

        B) Was schlägt denn die Karriereberatung für Akademiker üblicherweise bei Kriegsflüchtlingen vor? Gibt da sicher typische Akademikerwege für Hochwasseropfer oder Waisen /s Das ist Äpfel und Birnen

    • tobi@feddit.de
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      5 months ago

      Wie will man jemals wieder als architekt arbeiten, wenn man überhaupt keine Erfahrung darin sammeln kann? Wer nimmt jemanden der kein super tollen Job darin macht, sondern was ganz anderes und er hat 10 Jahre studiert oder so.

      Andererseits glaube ich die meisten wollten schon arbeiten.

    • shucks@lemmy.blahaj.zone
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      5 months ago

      Um bei meinem Geschwisterkommentar zu bleiben, was bringt es einer gelernten Architekt:in, in einem Lagerhaus zu arbeiten? Ist es nicht viel sinnvoller, in einem Planungsbüro zu starten und da direkt die unterschiedlichen Anforderungen an Bauwerke in Deutschland kennenzulernen? Sprache sollte auch kein Hindernis sein, heutzutage kann so gut wie jede:r Englisch. Bei meinem Arbeitgeber in der Softwareentwicklung haben wir auch einige ukrainische Kolleg:innen, mit denen wir hauptsächlich auf Englisch reden und die Arbeit funktioniert ohne Probleme. Und je länger sie dort arbeiten, desto mehr deutsche Sätze und Sprachverständnis gewöhnen sie sich an, Integration kann also im gewohnten Beruf auch gut funktionieren.

      • DrunkenPirate@feddit.de
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        5 months ago

        Ja klar. So geht es am besten. Aber was machst du denn, wenn es gerade keine Architekten braucht? Warten bis es welche braucht?