- cross-posted to:
- [email protected]
- cross-posted to:
- [email protected]
geteilt von: https://feddit.org/post/1727437
Franz Schmid, Vorsitzender der AfD-Jugendorganisation in Bayern und beobachtet vom Verfassungsschutz, will ein verfallenes Schloss in Schwaben kaufen. Es soll ein “patriotisches Zentrum” werden. Dort will Schmid mehr Bindung zur Jugend aufbauen.
Der Schäferhund knurrt hinter dem Schlosstor. Er streckt seine Schnauze unter den vermoderten Holzlatten durch und beobachtet, wer auf den Eingang zukommt. Hinter ihm ragt Schloss Mattsies in den Himmel. Es muss einmal schön gewesen sein.
Heißt der Hund zufällig „Blondie“?
Franz Schmid, Vorsitzender der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) in Bayern und Landtagsabgeordneter, läuft unbeeindruckt auf das Tor zu. Ihn treibt eine Vision: Er will hier ein “Patriotisches Zentrum” aufbauen. Schmid wird vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet.
Schloss Mattsies ist herrenlos. Der Freistaat verkauft deswegen das Aneignungsrecht für das Grundstück. Bis heute konnten Interessenten ihr Gebot abgeben. Schmid hat das getan.
Auf seinem Handy hat er ein Bild von Schloss Mattsies. Es zeigt, wie das Schloss nach der Sanierung aussehen könnte. Darauf sieht man einen gepflasterten Weg, eine Mutter mit Kind, junge Bäume, Sonnenschirme.
“Wir wollen teilweise Wohnungen dort haben. Wir wollen Veranstaltungen machen. Wir wollen es aber auch der Öffentlichkeit zugänglich machen”, sagt Schmid.
Ein zentraler Punkt. Es sei wichtig, sagt Schmid, sich dann mal beim Bier oder bei einem Kaffee zu treffen und ins Gespräch zu kommen. “Dass man diese Hemmschwelle abbaut. Dass die Leute einfach mal sehen, dass AfDler ganz normale Leute sind.”
Eigentlich ist das kein ungewöhnliches Vorgehen. Auch andere Parteien und ihre Jugendorganisationen setzen neben Online-Präsenz auf Interaktion, um eine Bindung zur Jugend aufzubauen und Nachwuchs zu rekrutieren. So laden die jungen Sozialdemokraten etwa zum “Juso-Treff”, die Grüne Jugend zu Wikingerschach.
Der Unterschied: Die Junge Alternative wird bundesweit vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Gerade erst hat das OVG Münster diese Einstufung bestätigt, weil die JA einen “völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff” verwende und ausländerfeindlich agitiere.
Vor diesem Hintergrund sehen Wissenschaftler bei der JA vor allem den Versuch, als normal zu erscheinen. Anna-Sophie Heinze von der Universität Trier forscht zu Parteien, ihren Jugendorganisationen und der Partizipation von Jugendlichen. Das Zielbild der AfD und ihrer Jugendorganisation in ihren Augen: “Eine vermeintlich normale Partei, die normale Position vertritt, die überall gesellschaftlich verankert ist.” Benjamin Höhne, Politikwissenschaftler an der TU Chemnitz, sagt: Bei dieser Normalisierungsstrategie seien junge Leute besonders wichtig, “weil sie Träger von Zukunftstrends sind”.
Was die Wissenschaftler beschreiben, ist in den ostdeutschen Bundesländern schon deutlicher zu beobachten. In Brandenburg zum Beispiel veranstaltet die Junge Alternative regelmäßig “Aperol-Spritz-Abende”. In Thüringen lädt die JA zum Online-Stammtisch, zur Sommerwanderung, zu Demo und Ausklang bei Bier und Grill.
Gerade bei jungen Menschen könne das verfangen, sagt Anna-Sophie Heinze. Sie hätten noch keine feste Parteiidentifikation und würden politische Themen vor allem durch ihr soziales Umfeld kennenlernen: durch Familie, Freunde und Freizeit. “Und wenn dann alle im Umfeld sagen, das sei nicht so schlimm, dann verfangen solche Positionen.” In ostdeutschen Bundesländern seien bereits Netzwerke entstanden, in denen die AfD als völlig normale und einzig wählbare Partei wahrgenommen werde.
Für Schmid sind die ostdeutschen Verbände Vorbild. Zwar ist die JA Bayern nach Daten des bayerischen Verfassungsschutzberichtes in den vergangenen Jahren gewachsen. Schmid nennt auf BR-Anfrage keine Mitgliederzahlen. Aber laut bayerischem Verfassungsschutz sei ein “signifikant erhöhter Aktivismus der JA Bayern” deswegen nicht festzustellen.
Die bayerische JA hält einen monatlichen Stammtisch ab, veranstaltet Wanderungen, hat zum Sommerfest eingeladen.
Aber nach Beobachtungen der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Bayern agiere die JA weitestgehend im Geheimen. Laut Bayerischem Landesamt für Verfassungsschutz vernetzt sich die Junge Alternative in Bayern vor allem mit der als rechtsextremistisch eingestuften Identitären Bewegung und Burschenschaften.
In der AfD wünschen sich manche, dass sich die JA breiter aufstellt und eine aktivere Rolle einnimmt. Sie begrüßen die Idee, das Schloss zu kaufen. Landeschef Stephan Protschka sagt dem BR: “Ich hoffe, dass es eine Veränderung bei der ‘Jungen Alternative’ gibt. Sie muss mehr in die Breite gehen, auch den Handwerker, die Friseuse, den Bankangestellten ansprechen – und nicht nur Burschenschafter.” Wenn junge Menschen in einem “patriotischen Jugendzentrum” eine Anlaufstelle hätten, fände er das gut.
Andere sehen die JA selbst kritisch. Sie halten das Vorhaben von Schmid für einen PR-Gag mit dem Ziel, Aufmerksamkeit zu erregen und die Immobiliengesellschaft des Freistaats zu einer Positionierung zu zwingen.
Ob Schmid das Schloss kaufen darf, ist noch nicht entschieden. Die Immobiliengesellschaft des Freistaates (IMBY) teilt dem BR auf Anfrage mit, der Verkaufe erfolge über „ein transparentes Bieterverfahren, bei dem alle Interessenten die gleichen Chancen haben.“ Auf der Website steht: „Veräußerung zum Höchstgebot“. Allerdings: Die IMBY ist nicht verpflichtet, „dem höchsten oder irgendeinem Gebot eine Zusage zu erteilen.“ So schreibt sie es auf BR-Anfrage.
Die Frage ist auch, ob Schmid das Schloss überhaupt mit vertretbarem Aufwand renovieren kann. Laut Exposé gibt es keine Trinkwasser- und keine Abwasseranbindung. Auch Gas- oder Fernwärme sind nicht vorhanden. Schmid sagt, er setze auf viele ehrenamtliche Helfer bei der Renovierung. Auf Nachfrage spricht er von einem „Lebensprojekt“.
Sollte er das Schloss nicht bekommen, will er weiter nach einer Immobilie suchen. Und wenn doch, dann soll schnell die erste Veranstaltung folgen. Ob ein Zentrum dann mit einer Mäßigung einhergehen würde? “Auf keinen Fall!”, sagt Schmid.